Persönlichkeitsbestimmende Interessenstrukturen

Das Prinzip MITEINANDER

MITEINANDER ist evolutionär stabil

Beginnen wir mit dem Kooperationsspiel. Es scheint auf den ersten Blick ein einfaches Spiel zu sein, offenbart aber mit steigender Spieldauer seine Hintergründigkeit. Es bietet sich an, dieses Spiel in ein Personalentwicklungskonzept einzubinden, damit es wirklich erlebt und erfahren werden kann. Jedenfalls haben wir damit sehr gute Erfahrungen gemacht.

Das Spiel wird über mehrere Spielrunden gespielt. Ziel ist es zu gewinnen. Dazu werden aus den Mitspielern zwei Gruppen gebildet, die gegeneinander spielen. Beide Gruppen werden getrennt, so dass eine direkte Kommunikation zwischen den Gruppen nicht möglich ist. In jeder Spielrunde haben die Gruppen eine Entscheidung zu treffen zwischen Kooperation und Wettbewerb. Dazu treffen sich zunächst die Unterhändler beider Gruppen in einem getrennten Raum, besprechen die Situation und treffen eine Verabredung für die aktuelle Spielrunde. Dieses Treffen der Unterhändler ist die einzige Möglichkeit der Kommunikation zwischen den Gruppen im Sinne einer Interessenverhandlung. Die Unterhändler gehen dann in ihre Gruppe zurück und berichten über die Verhandlung. Dann ist jede Gruppe aufgefordert, ihre Entscheidung über Kooperation und Wettbewerb gleichzeitig zu treffen. Sie ist dabei nicht an das Verhandlungsergebnis gebunden. Durch den Spielleiter werden die Entscheidungen entsprechend einer Entscheidungsmatrix mit Punkten je Gruppe bewertet und diese Punktzahlen sowie die zugrunde liegenden Entscheidungen werden den Gruppen bekannt gegeben. Danach beginnt die nächste Spielrunde mit dem gleichen Ablauf. 

Die Entscheidungsmatrix ist so gestaltet, dass bei gegenseitiger Kooperation gesamthaft die höchste und bei gegenseitigem Wettbewerb gesamthaft die niedrigste Punktzahl verteilt wird. Dazwischen liegt die Kombination Wettbewerb/Kooperation, bei der die Gruppe, welche Wettbewerb entscheidet, deutlich bevorzugt wird.

Bei diesem Spiel erkennen wir, dass sich die reine Kooperationsstrategie (immer KOOPERATION) nicht auszahlt, wenn sich die Gegenseite wettbewerbsorientiert verhält. Das moralisch gute Gefühl wird nicht belohnt. Hinter vorgehaltener Hand wird in einer solchen Situation eher von Naivität gesprochen. Ein Schuldgefühl plagt den Ausnutzer meistens nicht. Wer sich viel bieten lässt, dem wird auch viel geboten. Andererseits können wir auch erkennen, dass bei einer starken Vertrauensbasis unbeirrte Kooperation möglich sein kann. Dies führt dann gesamthaft gesehen zu den besten Ergebnissen.

Wir erkennen bei der Analyse unterschiedlicher Spiele auch, dass die reine Wettbewerbsstrategie (immer WETTBEWERB) trotz möglicher Anfangserfolge über die Dauer des Spielverlaufes keine zufriedenstellenden Ergebnisse liefert.

 

Das Prinzip MITEINANDER

In vielen Spielen setzt sich im Spielverlauf ein beiderseitiges Verständnis über eine dritte Strategie durch: Das Prinzip Miteinander. Im Folgenden benutzen wir dafür auch die Abkürzung MITEINANDER. Dieses Prinzip besteht aus den beiden Maximen

·        Beginne nicht als Erster mit Wettbewerb!

·        Beantworte Kooperation mit Kooperation und Wettbewerb mit Wettbewerb! 
 

Das Prinzip Miteinander (MITEINANDER) hat die Herstellung wechselseitiger Kooperation zum Ziel und besteht aus vier handlungsleitenden Elementen:

 

Das Prinzip MITEINANDER ist evolutionär stabil und den reinen Kooperationsstrategien oder den reinen Wettbewerbsstrategien überlegen.

                    

Schauen wir uns dazu ein Beispiel mit einer intelligenten Anwendung von MITEINANDER in der betrieblichen Praxis an.

Die Projektarbeit

Holger Hibbelig ist seit sechs Monaten Projektmanager bei der Muster GmbH. Dort ist er in den Nachwuchsförderkreis aufgenommen worden, der ihm drei zweitägige Plenarsitzungen, eine begleitende Projektarbeit und Seminare für seine Weiterbildung anbietet. Im ersten Plenum wird sowohl das Kooperationsspiel gespielt wie auch die Projektarbeit gestartet. Ein selbst gewähltes Thema soll von einer Projektgruppe mit vier Mitgliedern bis zum zweiten Plenum bearbeitet und die Ergebnisse dort in Anwesenheit der Geschäftsführung präsentiert werden. Dazu hat die Projektgruppe acht Monate Zeit. Holger, ein ehrgeiziger junger Mann mit viel Engagement in der Tagesarbeit, verweigert trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Projektgruppe die Mitarbeit und konzentriert sich voll auf seine Tagesarbeit. Pikant ist dabei, dass das Projektteam auch in der Tagesarbeit intensiv zusammenarbeiten muss. Bei der halbstündigen Präsentation der Projektergebnisse vor der Geschäftsführung präsentieren Holgers drei Kolleginnen und Kollegen gut vorbereitet ihre Ergebnisse, während Holger ohne Beitrag danebensteht. Das ist ihm sichtlich peinlich. Die Gruppe hat sich ohne Worte gewehrt, was zu einem nachhaltigen Lerneffekt für Holger, das Projektteam und alle Teilnehmer des Nachwuchsförderkreises führt. Anschließend hat sich das Team ausgesprochen und seitdem arbeitet es gut zusammen.

An dieser Geschichte erkennen wir, dass MITEINANDER einen selbstregulierenden Konfliktlösungsprozess ermöglicht. Es ist aus diesem Grund als Basis der Selbstorganisation in komplexem Umfeld ausgezeichnet geeignet. MITEINANDER geht von der Überlegung aus, dass unprovoziertes Wettbewerbsverhalten langfristig nur die Vergeltung der Gegenseite nach sich zieht. Andererseits ist es besser, eine Provokation sofort mit Wettbewerbsorientierung zu beantworten, da im anderen Fall für die Gegenseite das falsche Signal gesendet würde. Sie soll gar nicht erst auf den Gedanken kommen, dass sich Wettbewerb lohnen könnte. 

Die Kobra 

Ein Yogi kommt in das Dorf am Rande der Berge. Die Dorfältesten beschweren sich bei ihm über eine Kobra, die am Rande des nahen Gehölzes lebt. Sie hat bereits mehrere Dorfbewohner mit ihrem Giftzahn totgebissen, berichten sie ihm. Sie bitten den heiligen Mann, die Kobra aufzusuchen und auf sie einzuwirken, damit sie ihr schändliches Tun aufgibt. Der Yogi verspricht, mit der Kobra zu reden. Er sucht sie auf und sagt ihr: „Wenn du so viele Menschen beißt, schaffst du für dich ein schlechtes Karma.“ Die Schlange ist schlau, versteht den Yogi und verspricht ihm, zukünftig die Dorfbewohner nicht mehr zu beißen. Nach zwei Jahren kommt der Yogi wieder in das Dorf. Er befragt die Dorfbewohner. Diese erzählen ihm, dass die Kobra nun friedlich ist und in der Zwischenzeit keine Dörfler mehr gebissen hat. Der Heilige sucht die Schlange auf und findet sie halbtot unter einem Busch versteckt. Die Kobra röchelt: „Du hast mir einen schlechten Rat gegeben. Die Menschen haben mich fast totgeschlagen.“ Der Yogi schaut die Schlange an und fragt: „Habe ich dir denn gesagt, dass du dumm sein sollst?“ Die Kobra versteht. Als der nächste Dorfbewohner mit einem Knüppel in der Hand vorbeikommt, richtet sie sich in der typischen Kobrahaltung auf und zischelt ihn an. Voller Angst läuft der Dörfler davon.

In dieser kleinen Geschichte können wir die beiden unterschiedlichen Aspekte von Wettbewerb erkennen: Ausnutzung entspricht dem destruktiven Aspekt; ‚sich wehren’ gegen eine Provokation der Gegenseite entspricht dem konstruktiven Aspekt. Ein freundlicher Beginn zeugt von Selbstbewusstsein. Gegenseitigkeit in Verbindung mit offener Kommunikation ermöglicht es MITEINANDER, nach einer Ausnutzung durch die andere Partei im weiteren Verlauf dennoch zu gegenseitiger Kooperation zu kommen. Daher kann MITEINANDER durchaus gelassen auf einmalige Ausnutzungsversuche reagieren. An dieser Stelle tun sich andere Strategien schon schwerer. Häufig wird mit Wettbewerb begonnen, weil man selbst unsicher ist und einem Ausnutzungsversuch vorbeugen will. Eigene Unsicherheit verursacht zu Beginn des Spiels genauso viel Wettbewerbsverhalten wie bewusste Ausnutzungsversuche.

Das Prinzip Miteinander ist nicht durch die Ausnutzung seiner Mitspieler erfolgreich – tatsächlich versucht es sie überhaupt nicht – sondern dadurch, dass es zu einem Verhalten der gegenseitigen Kooperation ermuntert. Vertrauen ist keine Voraussetzung für MITEINANDER, denn es basiert auf der Dauerhaftigkeit der Beziehungen. Dennoch erzeugt und fördert es Vertrauen durch sein Verhalten und seine Transparenz und leistet damit einen Beitrag zur Stabilisierung der gegenseitigen Kooperation. 

Das Geheimnis der Dollarnote

Für das Prinzip Miteinander finden wir ein weit verbreitetes Motiv. Es ist der weißköpfige Seeadler auf der Dollarnote der Vereinigten Staaten von Amerika. Er – der Vogel des Zeus – kommt aus dem Himmel herab in die Welt der Gegensätze, in die Welt des Handelns. Die eine Handlungsweise ist Wettbewerb (Krieg), die andere Kooperation (Frieden). Der Adler hält in einer Klaue dreizehn Pfeile – das Symbol des Krieges. Die Zahl dreizehn stellt die Anzahl der Gründungsstaaten der USA dar. In der anderen Klaue hält er einen Lorbeerzweig mit dreizehn Blättern – ein Symbol für das friedliche Zusammenleben. Der Adler blickt in die Richtung des Lorbeerzweiges. Das ist die Richtung, die er bevorzugt. Aber er hält in der anderen Hand die Pfeile bereit für den Fall, dass der Lorbeerzweig nicht honoriert wird. Insgesamt wird durch den weißköpfigen Seeadler das Prinzip Miteinander anschaulich symbolisiert.

Besonderheiten des Kooperationsspiels

Schauen wir uns einige Besonderheiten des Kooperationsspiels an, um ein Gespür für die zugrunde liegende Situation zu entwickeln. Zunächst fällt auf, dass dieses Spiel für die Teilnehmer ungewohnt ist. Sie sind damit vertraut, determinierbare Spiele zu spielen. Zu Ihnen gehört als typischer Vertreter das Schachspiel, bei dem jede Seite abwechselnd die Spielzüge ausführt und auf eine Strategie der Gegenseite mit einer bestmöglichen eigenen antwortet. Seit frühester Kindheit sind wir gewohnt, Rechenaufgaben zu lösen. Im Laufe der Zeit werden diese Aufgaben immer schwieriger. Technische, betriebswirtschaftliche und wissenschaftliche Fragestellungen sind die Arena, in denen sich unser menschlicher Verstand beweist und trainiert. 

Durch die Gleichzeitigkeit der Spielzüge erhält unser Kooperationsspiel einen ganz anderen Charakter. Hier erkennen wir das Wesen der zirkulären Rückkopplung. Das eigene Verhalten in der aktuellen Situation wirkt in der nächsten Situation auf uns selbst zurück! Dasselbe gilt für die Mitspieler. Zirkuläre Rückkopplung ist ein wesentlicher Aspekt komplexer Situationen, zu denen auch Konflikte gehören. Unser menschlicher Verstand löst die zirkuläre Rückkopplung in vereinfachende Ausschnitte auf: A wirkt auf B. Dabei verdrängt er, dass gleichzeitig auch B auf A wirkt. Dieses Vorgehen entspricht der Eigenart unserer Wahrnehmung, nur Einzelaspekte einer Gesamtheit zu einem Zeitpunkt wahrnehmen zu können. Durch diese vereinfachende Wahrnehmung wird der Kontext ausgeblendet und die komplexe Situation reduziert und trivialisiert. Wir merken an dieser Stelle an: Unser Verstand hat damit die komplexe Situation nicht angemessen erfasst. 

Kennzeichen einer komplexen Situation ist es, dass keine Seite die Situation allein beherrschen kann und dass alle Entscheidungen unter Unsicherheit stattfinden. Der Ausgang wird erst durch die gleichzeitigen Entscheidungen beider Seiten bestimmt. Das ist ungewohnt. Dafür fehlen uns angelernte Verhaltensmuster. Mit derartigen Situationen können wir zunächst nur schwer umgehen. Komplexe Situationen treten aber im betrieblichen Alltag immer wieder und sogar wesentlich häufiger als determinierbare auf. Sie begegnen uns in vielfältiger Weise in allen Bereichen unseres Lebens, beruflich wie privat.

Dafür sind wir nicht ausgebildet, darauf sind wir nicht vorbereitet. Wir reduzieren unsere eigene Wirklichkeit auf die sachlichen Fragestellungen. Wir scheuen uns, der Realität ins Gesicht zu schauen. Viele bedeutende Fragestellungen in Organisationen ergeben sich aus den Beziehungen ihrer Menschen. Es sind die Konflikte, die wir gern verdrängen oder allenfalls auf der Sachebene und damit reduziert behandeln. 

Im betrieblichen Alltag haben wir es mit zwei grundsätzlich unterschiedlichen Aufgabenstellungen zu tun:

·        Das Lösen von Sachaufgaben

·        Interessenverhandlungen
    

Die Interessenverhandlungen ergeben sich wie schon dargestellt aus der natürlichen Komplexität eines Unternehmens, die durch die unterschiedlichen Interessen von Kunden, Belegschaft und Kapitalgebern geprägt ist. Während das Lösen von Sachaufgaben fachliche Kompetenz erfordert, benötigen Interessenverhandlungen soziale Kompetenz. Diese findet ihre Grundlage im angemessenen Umgang mit Komplexität. Fachliche Kompetenz erlernen wir in unserer wissenschaftlichen, technischen oder betriebswirtschaftlichen Ausbildung. Soziale Kompetenz ist zumeist unterrepräsentiert. Unter dem Begriff ‚Soziale Kompetenz’ verstehen wir die Fähigkeit zum Leben in einer Gemeinschaft und zur angemessenen Gestaltung der dazu notwendigen Beziehungen. Das Prinzip Miteinander bietet hierzu eine gute strategische Grundlage an, indem es einen angemessenen Umgang mit Interessenkonflikten ermöglicht. 

Ein Defizit an sozialer Kompetenz führt dazu, dass Führungskräfte Konflikte in die Sachebene zerren, um nicht erkennen zu müssen, dass sie selbst auch immer Teil des Konfliktes sind. Sie sind immer betroffen und beteiligt zugleich. Diese Erkenntnis fällt funktionsorientierten Führungskräften außerordentlich schwer, da sie diese Themenstellung unberechtigterweise immer mit der Frage nach Rechtfertigung und Schuldzuweisung verknüpfen. Sie neigen dazu, Konflikte in die Außenwelt zu projizieren, wo sie ohne eigenes Risiko gut zu bekämpfen sind. Andere Menschen oder die Umstände sind schuld. Diese Projektion führt dazu, dass sie häufig Interessenkonflikte mit Sachlösungen bearbeiten. Das aber ist reiner Aktionismus, der keine angemessene Lösungsmöglichkeit für die unvermeidbaren Interessenverhandlungen anbietet. Dazu   KOTTER: „Das nicht zufriedenstellend behandelte Konfliktpotential in einer Organisation führt in der Folge zu bürokratischem Kleinkrieg, Engstirnigkeit und destruktiven Machtkämpfen. Dadurch wird die Effektivität gemindert, das Kostenniveau erhöht, die Innovation gebremst und die Mitarbeiter werden immer frustrierter“.

Mangelnde soziale Kompetenz muss der Manager auf Dauer teuer erkaufen: Durch Preiszugeständnisse bei Kunden und Lieferanten, bei den Kapitalgebern durch vermehrte Gewinnausschüttungen und durch erhöhte Lohn- und Gehaltszahlungen bei den Mitarbeitern. Defizite in der sozialen Kompetenz des Managements manifestieren sich negativ in der Ergebnisstruktur eines Unternehmens.  

Offene Kommunikation

Schauen wir uns noch eine weitere Eigenschaft unseres Prinzips Miteinander genauer an: Die offene Kommunikation. Zunächst kann offene Kommunikation den einfachen Zusammenhang transparent machen: „Wenn du mich trittst, trete ich mindestens genauso hart zurück; also ist es für uns beide besser, wenn wir kooperieren“. Natürlich wird man nicht die gleichen Worte wählen, sondern die Botschaft eleganter und situationsgerecht verpacken, ohne an Klarheit zu verlieren.

Zarter Besaitete können natürlich auch sagen: „Wie du mir so ich dir!“. Dabei wird allerdings die Kernaussage nur unvollständig wiedergegeben. Denn der komplementäre Teil, der die Aussage erst vervollständigt, ist bei dieser Vereinfachung unter die Räder gekommen: „Wie ich dir so du mir!“. Die komplexe Situation, die erst aus der Wechselbeziehung zwischen den Spielern entsteht, ist bereits reduziert und in die Ebene der Determinierbarkeit herabgezogen worden. Auch das Alttestamentarische ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn! ’ gibt den Sachverhalt nur unvollständig und daher reduziert wieder. Ihm fehlt die ‚konstruktive Vergeltung’, also der Teil der gegenseitigen Kooperation. Er enthält nur die Drohung, nicht das Angebot mit der Belohnung.

MITEINANDER enthält beides gleichermaßen: Ein einfach zu kommunizierendes Element der vorbeugenden Abschreckung und ein Angebot der besseren Alternative. Dazu gehört als Voraussetzung auch, dass Wettbewerbsverhalten wirksam praktiziert werden kann und die andere Seite diese Alternative tatsächlich in Betracht ziehen muss. Andernfalls wird das eigene Verhalten als reine Drohgebärde interpretiert. Diese würde dann zum Versuch der Ausnutzung geradezu herausfordern. 

Wer sich nicht wehren kann, wird ausgenutzt

Wenn die andere Seite dennoch mit Wettbewerb reagiert hat, hilft die offene und klare Kommunikation wiederum weiter, um zur gegenseitigen Kooperation zurückzufinden. In der neuen Situation ist klar und deutlich zu kommunizieren, dass man sich selbst in dieser Situation wettbewerbsorientiert verhält. Erst wenn die andere Seite den Ausnutzungsgewinn zurückgibt, kann anschließend in der nächsten Situation zur gegenseitigen Kooperation übergegangen werden. Andernfalls verlieren beide Seiten durch gegenseitigen Wettbewerb in den folgenden Situationen. Offene Kommunikation bedeutet daher auch, ein Stück weit gemeinsam in die Zukunft zu schauen. Wir erkennen daran, dass das Element der offenen Kommunikation eine erhebliche Bedeutung für die Herstellung der gegenseitigen Kooperation besitzt. Je offener die Kommunikation zwischen den Beteiligten ist, je besser die beiden unterschiedlichen Sichten ausgetauscht werden, desto wahrscheinlicher wird gegenseitige Kooperation. Durch offene Kommunikation lernen die Beteiligten, die Sicht der anderen Seite bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen.

Deutlich können wir jetzt auch erkennen, warum MITEINANDER eine zunehmende Verbreitung findet. Die Kommunikation in unserer Gesellschaft ist offener geworden. Informationen lassen sich nicht mehr so leicht verbergen. Und mit offener Kommunikation steigt – wie wir gerade festgestellt haben – das Bedürfnis, aber auch die Bereitschaft, Handlungen auf der Basis der gegenseitigen Kooperation zu vollziehen. Dieser Trend wird dadurch verstärkt, dass sich die Machtverteilung in unserer pluralistischen Gesellschaft verbreitert. Die reine Amtsautorität verringert sich, wie vor ihr schon die institutionelle Autorität. Persönliche Autorität gewinnt immer mehr an Bedeutung. Besonders dort, wo sie mit Amtsautorität kombiniert ist, also auch in allen Managementfunktionen. Weiter häufen sich komplexe Situationen, in denen beide Seiten Macht ausüben können. 

Dabei verstehen wir unter Machtausübung durchaus auch subtilere Formen als die reine Anordnungsbefugnis, die der Amtsautorität entspricht. Unter diesen subtileren Formen sind persönliche Autorität, Verweigerungsmöglichkeiten, Multiplikatorenwirkungen, Fach- und Expertenwissen, Vertretung von Interessengruppen, Mitbestimmungsrechte sowie Medienberichterstattungen zu finden. Die Möglichkeiten, über derartige Wege Macht und Einfluss auszuüben, erweitern sich immer mehr, während Amtsautorität in unserer Gesellschaft durch eine Flut von Gesetzen, Vorschriften, Richtlinien und Ausführungsbestimmungen mehr und mehr eingeschränkt und beschnitten wird. Dazu kommt das schwindende Image der Funktionsträger in Politik, Wirtschaft und Verwaltung durch persönliches Fehlverhalten Einzelner, wodurch der Trend zu homogenerer Machtverteilung weiter verstärkt wird. 

Das Prinzip MITEINANDER ist für die beteiligten Persönlichkeiten eine Gewinnerstrategie. Selbst Persönlichkeiten, denen Wettbewerb näher ist als Kooperation, können begreifen, dass gegenseitige Kooperation in diesem Umfeld auf Dauer günstiger ist als Wettbewerbsverhalten.