Stressauslöser und Stressabwehr
Stressauslöser unbedingt vermeiden
Was passiert eigentlich, wenn wir bei unseren Gesprächspartnern unbeabsichtigt Stress auslösen? Und was löst denn Stress aus?
Entgegen der vorherrschenden Vorstellung im Mainstream ist Stress ein zutiefst individuelles Phänomen. Jeder Mensch hat seinen persönlichen Stressauslöser. Der Perfektionist beispielsweise gerät in Stress, wenn ihm seine Mitmenschen einen Fehler nachweisen. Dann reagiert er mit besonders harten Bandagen. Der Helfer wiederum gerät in Stress, wenn ihm seine Mitmenschen den Dank für seine Hilfsbereitschaft verweigern.
Grundsätzlich versucht jeder Mensch, Stress zu vermeiden. Seine Hilfsmittel dazu sind Abwehrmechanismen. Für den Perfektionisten sind dies beispielsweise Verdrängung und Reaktionskontrolle. Er verdrängt gern alle Tatsachen und Ereignisse, die nicht in sein Weltbild passen. Er kontrolliert dabei seine Reaktionen, um Ärger und Wut nicht zu zeigen. Die Abwehrmechanismen des Helfers sind Verdrängung und Verleugnung. Er verdrängt eigene Wünsche und Bedürfnisse und verleugnet die Erkenntnis, dass seine Hilfsbereitschaft nicht uneigennützig ist, sondern nach Gegenleistung verlangt.
Der Selbstdarsteller gerät unter Stress, wenn ihm die Menschen in seiner Umgebung nicht die Bewunderung und den Applaus geben, die er so dringend braucht und für die er seine Aktivitäten inszeniert. Seine Abwehrmechanismen sind Identifikation und Verdrängung. Er identifiziert sich so stark mit der jeweiligen Rolle, dass er ganz in ihr aufgeht und somit die Realität ausblendet und verdrängt.
Der Individualist gerät in Stress, wenn ihm nicht die Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, die er erhofft. Die Abwehrmechanismen sind Verdrängung, Rückzug und Introjektion. Er verdrängt das reale Leben und zieht sich in seine Traum- und Fantasiewelten zurück. Introjektion bedeutet, dass er fremde Negativität verinnerlicht und sie zu seiner eigenen umwandelt.
Der Denker gerät durch eine zu starke Einbeziehung oder durch eine emotionale Überforderung in Stress. Sein Abwehrmechanismus ist Rückzug. Er zieht sich aus der Überforderungssituation zurück.
Der Sicherheitsorientierte gerät in Stress, wenn sich seine vorbeugenden Sicherheitsmaßnahmen als unwirksam erweisen oder wenn er mit unerwarteten Veränderungen konfrontiert wird. Sein Abwehrmechanismus ist Projektion. Das, was im eigenen Inneren unbewältigt und konfliktträchtig ist, wird nach außen auf das Umfeld oder die Mitmenschen übertragen. Dort kann es dann so herrlich bekämpft werden.
Der Lebenskünstler gerät in Stress, wenn es ihm mit all seinen Aktivitäten und Vergnügungen nicht gelingt, Situationen zu vermeiden, in denen er Schmerz, Mangel oder Langeweile wahrnehmen muss. Seine Abwehrmechanismen sind Verdrängung, Rationalisierung und Idealisierung. Er ist darauf fokussiert, Schmerz, Mangel oder Langeweile zu verdrängen. Unter Rationalisierung versteht man einen seelischen Vorgang, bei dem Handlungen, Gedanken und Gefühlen eine rational stimmige und moralisch akzeptable Begründung gegeben wird. Die Idealisierung überhöht eine gegebene Situation und spricht ihr die Qualität ‚Vollkommenheit‘ zu. Diesen komplexen Vorgang kann man auch vereinfacht mit dem Begriff ‚Schönreden‘ umschreiben.
Der Machtmensch gerät in Stress, wenn es ihm mit aller Aggressivität und Angriffslust nicht gelingt, Hindernisse, welche sich ihm in den Weg stellen, zu überwinden. Sein Abwehrmechanismus ist Verleugnung. Er leugnet alles, was nicht in sein Konzept hineinpasst.
Der Harmonieorientierte gerät bei Problemen und Konflikten sowie bei jeder Art von Auseinandersetzung in Stress. Seine Abwehrmechanismen sind Verdrängung, Verleugnung und Betäubung. Auftretende Probleme und Konflikte werden von ihm verdrängt, indem er sie unter den Teppich kehrt und die weitere Entwicklung abwartet oder stur aussitzt. Er kann Konflikte aber auch schlicht leugnen, indem er sie schönredet oder gar idealisiert. Wenn die vielen Anforderungen übermächtig werden, flieht er in die Betäubung. Er greift nach Alkohol oder Drogen oder schläft plötzlich mitten am Tag ein.
Stellen wir uns nun ein Gespräch vor, bei dem wir den Stressauslöser unseres Gesprächspartners treffen. Im gleichen Moment ist der reflexartig nur noch mit seiner Stressabwehr und mit seinen Abwehrmechanismen beschäftigt und verschwendet keinen Gedanken an das Gesprächsthema.
Wenn wir also gute und lohnende Gespräche beruflich wie privat führen wollen, vermeiden wir am besten Stressauslöser, welche beim Gesprächspartner automatisch zu Barrieren und Blockaden führen müssen. Es ist jedenfalls sehr lohnend, sich mit den Stressauslösern unserer Gesprächspartner vertraut zu machen.